Ihr könnt euch also vorstellen, dass sowohl Autoren als auch Publikum ziemlich verrückt sein müssen. Und so viel sei gesagt: Damit liegt ihr richtig!
Die beiden Organisatoren, Kevin und Patrick, lieben Poetry Slam mit Leib und Seele. Sie haben diese Bühne ins Leben gerufen, weil sie etwas Neues und Ungewöhnliches schaffen wollen. Die beiden gehören nicht unbedingt zur Bundesliga des Poetry Slams, aber genau das ist meiner Ansicht nach ihre Stärke und macht den Charme des Speakers Corner Raid aus:
Diese Bühne ist etwas für die jungen Wilden, für diejenigen, die etwas zu sagen haben, die sich ausprobieren wollen, die mit Leidenschaft an die Sache rangehen.
Und beim Raid darf man durchaus Straucheln: Die Atmosphäre ist freundschaftlich, sehr kollegial. Man muntert sich auf, gibt sich hinterher Tipps. Das Publikum vergibt keine Punkte. Niemand verliert, aber alle gewinnen: Vornehmlich an Erfahrung. Die sammelt man hier nämlich schnell und man braucht eine ordentliche Portion Überwindung, wenn man das erste Mal dort liest: Man geht einfach ans Mikro, wenn es frei wird. Die einzige Absprache ist ein kurzer Blick in die Runde. Manchmal Ermutigung der Kollegen, wenn es angebracht erscheint. Dann geht es schon los.
Ich bin bereits einige Male beim Raid angetreten und musste jedes Mal aufs Neue feststellen: Es ist ein seltsames Gefühl, mitten in der belebten Innenstadt Texte zu lesen. Das Publikum, das vor einem sitzt, wirkt da eher beruhigend, für einen Slammer eher alltäglich. Vor hundert Menschen lesen? Beinahe Lachhaft gegen diese Veranstaltung: Der Raid hat eine ganz eigene Komponente: Spannend sind nämlich die Menschen, die nichtsahnend an einem vorbeischlendern. Menschen, die shoppen, zum Kaffee trinken oder Essen gehen verabredet sind. Menschen, die auf den Terrassen des Unperfekthauses sitzen und zu dir rüberstarren.
Menschen, die mit allem rechnen, aber nicht mit einem Haufen Verrückter, der in aller Öffentlichkeit Bühnenliteratur macht.
Hin und wieder gröhlt mal einer dazwischen. Viele Leute bleiben stehen. Ein paar setzen sich ganz frech auf die Bühne. Du musst einfach mit allem rechnen. Der Raid ist ideal, um seinen inneren Schweinehund zu besiegen. Um es mit Patrick und Kevin zu sagen:
„Wenn du hier lesen kannst, kannst du es überall!“
Und dann ist da noch der Faktor Wetter:
Ich empfehle Publikum und Poeten ausdrücklich, den Wetterbericht zu lesen. Die Veranstaltung ist bisher nur ein einziges Mal ausgefallen: Weil der Regen so stark war, dass die Technik und die Texte ernsthaften Schaden hätten nehmen können. Im Sommer hat man immerhin Schatten – die Stadt Essen hat einen sehr gemütlichen Zuschauerbereich eingerichtet und mit Bänken und Bäumen nicht gespart. Man hat das Gefühl, mitten in der Stadt in einem Park zu sitzen und Literatur vorgetragen zu bekommen. Genial.
Wenn ihr eine besondere Lesebühne und großartige Autoren erleben wollt, seid ihr beim Speakers Corner Raid absolut richtig.
Egal, ob ihr selbst Autoren seid oder nur die Show genießen wollt. Egal ob im Winter bei Kaffee, Kakao und Glühwein oder im Sommer mit Limo und Bier: Der Speakers Corner Raid ist immer ein Erlebnis.
Mehr Infos findet ihr auf der Facebookseite der Veranstaltung und im Youtube-Video oben.
Das Foto im Beitrag stammt vom Fotowikinger.
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