Wat is?! „Brennt die Heime nieder!“

„Wir müssen verhindern, dat diese scheiß Frauenschänder bei uns einfallen!“, gröhlt Manni gerade, als ich in die Kneipe komme. Einige Kerle stehen um ihn herum und hauen mit ihm auf die Theke, ein paar andere schauen betreten in ihre Biergläser. Das kann ja heiter werden. Ich fahr die Ellbogen aus, arbeite mich nach vorn und bestell ein Pils. Heute mal nicht diskutieren, schwör ich mir gerade und befeuchte meinen Gaumen, als Manni weitermacht.

„Wir brennen einfach dat verdammte Asylheim nieder, dann sind wir die los!“ Ich pruste mein Bier quer durch den Schankraum. Ein paar Leute schauen mich böse an und die Wirtin verteilt sofort Servietten.

„Spinnst du eigentlich, Manni?“, hör ich mich sagen und erkenne sofort, dass es heute nichts mehr mit einem unpolitischen Abend wird.

„Ach, der Gutmensch!“, höhnt er auch sofort. „War ja klar, dat du lieber vergewaltigte Frauen hast, als wat gegen unsere heiligen Asylanten zu sagen!“

Das ist selbst mir zu harter Tobak. Vor allem, weil ich stocknüchtern bin. Ich sehe den Biertropfen am Spiegel gegenüber traurig hinter her.

„Wie kommst du denn darauf, du Gesichtskirmes?“, pampe ich ihn also an und wisch mir dat Hemd trocken. „Klar find‘ ich es scheiße, wenn Frauen belästigt werden. Aber meinste, dat kann ich ändern, indem ich Unschuldigen wat antue?“

Manni schaut mich blöde an.

„Wer will denn hier Unschuldigen wat antun?“ „Du, mein Freund!“ Ich sehe ihm an der Nasenspitze an, dass er kein Wort kapiert. „Oder wie nennt man das, wenn man die Behausung von Menschen abfackeln will, die einem nix getan haben?“

„Da ist doch noch gar keiner drin!“ „Ach nee? Kannste dat beschwören? Und selbst wenn: Meinste nicht, dass du mit deiner hirnrissigen Zündelei Menschen obdachlos machst? Und nebenbei ein paar hundertausend Euro Steuergelder verbrennst?“

Er schaut mich eine Weile an. Ich höre leises Murren in der Menge. Großes Publikum. Alle schauen uns zu. Und ich bin mal wieder der Spielverderber.

„Dann sollten wir aber zumindest durchs Viertel marschieren und dafür sorgen, dass hier Ruhe ist! Da machste doch wohl wenigstens mit?“ Ich trink mein Pils in einem Zug und bestell direkt noch eins nach.

„Wieso willste das denn machen?“ „Wir müssen doch auf unsere Frauen aufpassen!“ „Echt jetzt, Manni? Wir marschieren als Rudel durch die Straßen und hauen allen auf die Fresse, die Frauen betatschen?“ „Genau!“ „Dann fangen wir mit dir an, wenn du das nächste Mal ratzevoll der Uschi an die Titten grabscht!“ Ein Gröhlen geht durch den Raum. Uschi ist die Wirtin. Sie stellt mir mein Pils hin. „Geht aufs Haus“, sagt sie und erntet noch mehr Gelächter.

„So ist dat nicht gemeint!“, ruft Manni und schaut mich betreten an. „Es geht ja darum, die vor den Moslems zu beschützen! Die sind nämlich richtig bösartig frauenverachtend und nicht so…“ „…so dummdreist frauenverachtend wie du? Ist klar: Wenn ein weißer Mann eine Frau betatscht, geht das in Ordnung. Wenn jemand mit dunkler Haut das macht, ist das ein Skandal. Merkste wat?“

Manni geht eine rauchen. Durch die Menge geht ein enttäuschtes Murmeln. Ich trink in der Zeit was Stärkeres. Ein irischer Whisky hat’s mir angetan.

Als Manni zurückkommt, grinst er breit.

„Du kannst die Anschläge von Köln aber nicht weg reden! Da wurden massenhaft Frauen von den Asylanten vergewaltigt, und viel schlimmeres!“ Fast hätte ich auch noch den guten Whisky in die Welt gespuckt.

„Anschläge?“ „Klar, dat war doch echter Bürgerkrieg! Tausend Afrikaner beschießen den Kölner Dom mit Raketen! Dat war ein Raketenangriff!“ Ich sehe das schon in den Geschichtsbüchern: „Der Raketenangriff von Köln und seine Folgen für die Zweite Deutsche Republik“. Ich muss erst einen Whisky trinken, bevor ich darauf etwas entgegnen kann. Die Menge schaut wieder zu uns her.

„Erstens: Dat waren keine tausend Afrikaner, sondern etwa dreißig Leute in einer großen Menschenmenge. Zweitens waren auch Weiße darunter. Drittens: Die meisten scheinen, nach aktuellem Kenntnisstand, zu organisierter Kriminalität zu gehören: Die machen das gewerblich. Viertens: Raketenangriff? Ehrlich? Dat waren Silvesterböller, du Knalltüte.“ Ich hole tief Luft, aber Manni fährt dazwischen: „Wenn dat so harmlos war, warum haben unsere Medien dat dann wieder verschwiegen?“ „Wer hat das denn verschwiegen? Stand doch in allen Zeitungen. Wenn auch etwas zu spät, aber die meisten Anzeigen gingen auch erst einige Tage später raus. Außerdem sagt keiner, dass das harmlos war. Es war nur alltäglich“ „Siehste! Du findest das schon ganz normal, dass Afrikaner unsere Frauen belästigen!“ „Das hab ich nicht gesagt, Manni. Es ist nur ganz normal in Deutschland, dass Frauen belästigt werden. Nicht nur du begrabscht die Uschi, sondern vermutlich noch der eine oder andere Gast hier. Und so geht das jeden Tag. Und ich bin absolut dafür, dass wir uns damit auseinandersetzen und klar machen, dass das nicht geht. Die Angreifer in Köln gehören auch klar bestraft. Aber man missbraucht die Opfer ein zweites Mal, wenn man die Übergriffe in Köln benutzt, um Stimmung gegen Fremde zu machen!“

Manni bestellt ein Pils und ein Korn. Ich mach in der Zeit weiter: „Und du siehst doch, dass das klappt. Du spielst hier den Aushilfs-Röhm und versuchst Hilfssheriffs zu finden, die mit dir Asylheime abfackeln und Ausländer durch die Straße treiben und verprügeln!“ „Nur, wenn die sich wat zu Schulden kommen lassen!“ „Und das entscheidest du, ja? Wann verprügelst du denn jemanden? Wenn er eine Frau anfasst? Sie anspricht? Wenn er im Bus zu laut ist? Oder einfach nur, weil er dunkle Haut hat? Und machst du das mit Weißen auch? Gehst du hin und fackelst Eigenheime ab, weil ein Weißer eine Frau vergewaltigt hat?“

Ich merke, dass ich ein bisschen in Rage bin. Außerdem ist mir warm vom Bier. Die Menge schweigt. Man merkt die Spannung im Raum.

„Ich will doch nur, dass unseren Frauen und Kindern nichts passiert!“ „Dann solltest du nicht auf Ausländer einschlagen, sondern vor der eigenen Haustür kehren: Straftaten wie in Köln sind auf Großveranstaltungen nämlich an der Tagesordnung. Oktoberfest 2014: rund 1300 Straftaten, 45 schwere Körperverletzungen, 15 größere Schlägereien, insgesamt 200 Gewaltdelikte, 200 Taschendiebstähle, 7 Sexualdelikte. Und das sind nur die, die angezeigt wurden. Das Tittengrabschen von Typen wie dir kommt nämlich fast nie zur Anzeige. Schon gar nicht auf dem Oktoberfest oder im Karneval. Grauzone ist das Stichwort, Manni!“

Wenn möglich, wird die Stille noch tiefer. Man könnte einen unbezahlten Deckel fallen hören.

„Also ist das okay, wenn Asylanten das machen?“ „Nein, aber es darf auch nicht benutzt werden, um Alltagssexismus zu relativieren! Die Botschaft, die einige besorgte Bürger in die Welt posaunen ist nämlich ganz klar: Es ist nur schlimm, wenn Moslems so etwas tun. Für die Verbrechen von Deutschen interessieren sich diese Rassisten nämlich nicht und haben sich nie interessiert. Wie findest du dich fühlen, wenn du ein Missbrauchs-Opfer wärst?“ Ich trink mein Pils aus und atme durch.

„Und noch was: Das ist jetzt ein grandioser Vorwand, um Gewalttaten gegen Ausländer zu rechtfertigen: Selbstjustiz wird zu Notwehr erklärt. Düsseldorf zum Beispiel, die haben schon eine Bürgerwehr, die mindestens elf Ausländer attackiert hat. Die Polizei hat 200 Leute des Platzes verwiesen, die sich über Facebook verabredet haben, um ,aufzupassen`. Rocker, Türsteher und Neonazis waren das“ „Die Polizei tut ja auch nichts gegen kriminelle Ausländer! Gegen Kögida waren die zum Beispiel im Einsatz! Mit Wasserwerfern sogar! An Silvester ist dagegen nichts passiert! So geht man mit dem eigenen Volk um!“ „Manni, dat könnte daran liegen, dass die Verbrecherbanden Silvester keine Demo angemeldet haben, meinste nicht? Oder sollen wir demnächst auf jeder großen Party zwei Hundertschaften mit Wasserwerfern aufstellen? Das macht einen super rechtsstaatlichen Eindruck, was?“

„Und was willste dann machen?“ „Wie wär‘s damit: Wir lassen die Polizei ihre Arbeit machen. Und wenn wir sehen, dass jemand Hilfe braucht, schreiten wir notfalls ein und rufen Hilfe. Wir brauchen aber keine neue SA, die Deutschlands Straßen unsicher macht. Es geht darum, Sexismus und Rassismus zu bekämpfen. Es darf nicht darin enden, dass wir Leute aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts in Sippenhaft nehmen und bestrafen, weil jemand anderes etwas getan hat“ „Und wat soll ich da machen?“ „Nicht solche Volksreden schwingen, dich verdammt nochmal bei der Uschi entschuldigen und ein paar Bier weniger trinken, damit du dich besser benimmst!“

Die Leute atmen auf. Manni schmollt. Ich trink noch einen Whisky, zahle und gehe. Es ist verdammt kalt geworden in Deutschland, merke ich, als ich vor die Tür trete. Verdammt kalt.

 

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