Edit 15.4.2016
Jetzt, wo wir so schön unter uns sind, können wir mal ein offenes Wort sprechen, Dinge auf den Tisch bringen, die man eigentlich nicht sagen darf.
Ich oute mich: Ich bin ein besorgter Bürger. Ich mache mir Sorgen um unser Europa.
Grund zur Sorge gibt es genug: In Scharen tauchen sie auf, bedrohen unsere demokratischen Grundwerte und verlangen, dass sie bevorzugt behandelt werden. Man soll auf sie Rücksicht nehmen, während sie sich benehmen dürfen wie die letzten Säue. Sie fordern und fordern und fordern. Ihr wisst alle, worum es geht:
Ich spreche von Arschlochmutanten.
Irgendeine seltsame Mutation hat unsere Gesellschaft erfasst und greift um sich wie ein Zombie-Virus.
Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Immer mehr unserer einst geschätzten Mitmenschen mutieren zu Arschlöchern.
Wer Menschen in Not Hilfe verwehrt, ist ein Arschloch.
Wer auf Verfolgte mit dem Finger zeigt, weil sie Smartphones besitzen, ist ein Arschloch.
Wer Flüchtlinge an den Pranger stellt, weil sie ungenießbare Lebensmittel in den Müll werfen, ist die Steigerung von Arschloch: Er ist Rechtspopulist. Wie stellen sich diese Leute das vor? Was soll ein Flüchtling sonst mit Abfall tun?Ihn fressen? Was geht in diesen Köpfen vor?
Ich bin nicht besorgt um unsere christlich-jüdisches Abendland, ich bin besorgt um unser Verständnis von Menschenrecht. Damit hat das Christentum jetzt mal wirklich nichts zu tun.
Überall wird das Arschlochgen aktiviert. Es fängt ganz harmlos an, typischerweise im Internet, vor allem auf Facebook. Dort erkennt man die Mutanten zuerst.
Manchmal glaube ich, das Netz besteht nur noch aus Katzenbildern, Pornos und Hasskommentaren.
Ein wenig Heuchelei ist auch dabei. Verfolgt man Debatten bei „Die Welt“, „Spiegel online“ und co, hat man das Gefühl, unsere Gesellschaft hat eine neue Art der Hexenprobe entdeckt.
Man wirft einen Flüchtling ins Mittelmeer: Wenn er überlebt, ist er ein schmarotzendes Stück Dreck und darf beschimpft, verunglimpft und zum Untergang des Abendlandes erklärt werden. Wenn er ertrinkt, ist er ein echter Flüchtling und wir dürfen Trauer heucheln.
Niemand scheint vor dem Arschlochgen sicher.
Selbst einige meiner Freunde, die im echten Leben mit Arabern, Türken, Serben, Mazedoniern, Griechen und Italienern befreundet sind, schließen sich der Hetze auf Facebook an. Sie würden niemals einem Ausländer eine Gemeinheit ins Gesicht sagen, warnen aber auf Facebook vor dunkelhäutigen Männern auf der Straße, der bulgarischen Organmafia, teilen irrwitzige Märchen, dass Flüchtlinge eine Lizenz zum Ladendiebstahl und zur Vergewaltigung bekommen.
Ein Vollidiot feiert den Tod eines Kindes – und Leute springen ihm bei, nehmen ihn in Schutz. Ein Ratsherr in Dortmund brüllt am Ende seiner Rede „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ und wird, wie ich finde, zurecht, des Saales verwiesen.
Meinungsfreiheit! Man darf ja nicht mal Kritik üben, heißt es da. Man wird direkt in die rechte Ecke gestellt, nur weil man diese Drecksneger nicht leiden kann.
Die Opferrolle steht den Rechten gut: Die Presse verschweigt uns die Verbrechen der Asylanten und Moslems; wir können doch nicht für alle zahlen; die sind gar nicht arm; die schleppen Ebola ein!
Genau, die riskieren ihr Leben in Schlauchbooten, weil denen langweilig ist und die bei uns satte (Achtung!) 143 Euro jeden Monat einkassieren. Da möchte ich jedem Asylbewerber ein „Läuft bei dir!“ zurufen.
Apropos Opferrolle: Die hat Tradition. Erfunden wurde das Konzept von Wilhelm Marr, dem Vordenker des deutschen Antisemitismus. Lügenpresse, Sprechverbote, schleichende Ausrottung unserer Sitten und Traditionen. Alles von ihm. Hat er 1879 in einem Aufsatz dargelegt. Seine Argumentation wurde von vielen bekannten deutschen Politikern aufgegriffen: Hitler, Goebbels, Seehofer und Gauland. Den nenne ich auch gern liebevoll „den Gauleiter“.
Der Seehofer und seine Christsozialen sind auch bereits mutiert. Die sind so christlich und sozial wie die SPD sozialistisch. Der Seehofer hat Viktor Orban zu einer Klausurtagung eingeladen. Viktor Orban ist der Prototyp des [nicht ganz so netten Menschen]. Ein [ich würde nicht sagen Sympathieträger], der andere aufgrund ihrer Herkunft oder Religion zu Menschen zweiter Klasse degradiert. Er will Europas Außengrenzen dicht machen und dann einen Krieg um diese Grenzen führen.
Orban hat neulich mal folgendes gesagt:
„Flüchtlinge haben kein Grundrecht auf ein besseres Leben“.
Streicht ein Wort, dann wisst ihr, was er meint: Flüchtlinge haben kein Recht auf Leben.
Ich bin besorgt, weil diese [nicht so ganz netten Menschen] eine wichtige Rolle in der europäischen Politik spielen dürfen. Ich würde fast von einer geistigen Elite der Rechten sprechen, aber der Ausdruck „geistige Elite“ und „Horst Seehofer“ passen nicht in einen Satz.
Ich bin besorgt, weil es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Hetze das Internet verlässt und die Arschlöcher sich außerhalb Dresdens auf die Straße trauen. Ach, da war ja was: Greifswald, Buchenau, Klosterfelde, Oschersleben, Winden, Nauen, Heidenau… die Liste an attackierten Flüchtlingsheimen ist lang und nicht komplett.
Wirklich Angst habe ich allerdings vor dem Moment, an dem die Leute auf der Straße über Ausländer schimpfen. Wenn in meinem Freundeskreis die ersten Arschlöcher über Türken und Serben und Afrikaner herziehen, dann weiß ich:
Rassismus ist wieder salonfähig. Die Luft wird dünn für unser Menschenrecht.
Deswegen bin ich besorgter Bürger. Deswegen bin ich besorgt um unsere europäischen Grundwerte. Ich will nicht in einer Festung wohnen. Neben frustrierten alten Männern. Neben hirnlosen Arschlochmutanten.
Ich bitte euch: Tretet denen entgegen.
Wenn euch das nächste mal einer mit „Das wird man ja noch sagen dürfen!“ kommt, lächelt ihn freundlich an, tätschelt seine Schulter und entgegnet: „Klar darfst du das sagen, aber ich darf dich dann auch für ein Arschloch halten.“
Bittet sie, ihre Thesen mal ihrem Dönermann ins Gesicht zu sagen. Erwähnt nebenher die neu entwickelte Hexenprobe für Arschlochmutanten.
Seid mutig. Seid ehrlich. Seid direkt und offen.
Nur als Gemeinschaft, die Schwächere beschützt und offen verteidigt, haben wir eine Chance, diesen rechten Abschaum auf die Müllkippe zu jagen, auf die er gehört.
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