„Haha! Alter, komm mal her! Das musst du lesen! Die Dummen und die Perversen sterben nicht aus!“
Ich werde sofort misstrauisch, als ich die Euphorie in Karl-Heinz‘ Stimme höre. Er zeigt mir einen Eintrag aus einer Facebook-Gruppe namens „Hart aber gerecht: BDSM mit Niveau“ Ich ahne Schreckliches.
Ich suche eine bzw einen oder mehrere die bock haben mich in folie zu einzuwickeln und zu knebeln und mich dann in einen müllsack stecken. In so einen dicken blauen der total nach gummi riecht und den man oben zuziehen kann. Ich steh total drauf wie abfall behandelt zu werden. Ich will dass ihr mich dann in eine mülltonne werft und da liegen lasst. Die tonne muss richtig voll sein und stinken. Und dann lasst ihr mich da ein paar stunden drin liegen. Ich zahle auch taschengeld dafür.
„Ja, das ist lustig“, sage ich und kann meine Begeisterung kaum bremsen. Ich hätte ihm nie das Internet zeigen sollen.
„Alter, ihr Menschen seid so Freaks! Ihr bezahlt dafür, wie Müll behandelt zu werden!“
Was soll ich sagen? Jedem das, was ihm gefällt. Ich nehm mir ein Bier aus dem Kühlschrank. Kaum kühlt der ersten Tropfen meine Kehle und mein Gemüt, da höre ich, dass Karl-Heinz telefoniert.
„Ja, wir sind zu zweit. Ich bin kleinwüchsig, genau. Hundert Euro sind voll okay. Ja, der Müll bei uns wird erst übermorgen geleert. Alles sicher. Ja. Bis gleich.“
Ich lass vor Schreck fast die Flasche fallen.
„Sag mal, geht’s dir noch gut? Du hast den Freak eingeladen?“ „Haha, ja! Ist aber eine Frau. Und die zahlt 100 Euro!“
„Alter, wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du bei Treffen mit Leuten aus dem Internet vorsich…“ „Ach, nerv‘ nicht rum. Ist dir klar, dass die Haushaltskasse leer ist? Und heute ist der Zehnte!“
Mein Blick fällt auf die fünfzehn leeren Flaschen Bushmills in der Ecke.
„Okay“, sag ich. „Wieso hast du nur hundert raus gehandelt? Du bist doch zwergwüchsig!“
Eine Stunde später taucht sie auf. „Karl-Heinz, mich trifft der Schlag!“, keuche ich, als ich durch den Türspion schaue.
„Was ist denn?“, fragt der. „Die muss ja nicht hübsch sein! Die kriegt einen scheiß Sack über den Kopf!“
Ich schlucke und lass sie rein. „ßön euch kennen zu lernen! Ich heißße ßaßkia!“, lispelt sie mit heller Stimme. Saskia ist Anfang zwanzig, klein, sehr zierlich, hat überall Tattoos und knall pinke, kurze Haare. Ich schwöre, dass ihre Titten etwa zehn Minuten vor ihrem Arsch über der Türschwelle waren. Soviel Silikon, wie diese Frau vor sich herschleppt, kann man in einem ganzen Sanitär-Großhandel nicht zusammenkratzen.
„Oh, du bißt ja knuffig!“ Sie nimmt Karl-Heinz hoch und streichelt ihn wie einen Chihuahua. Das ist auf mehreren Ebenen zutiefst verstörend. „Du bist…eh…“ „Ich dreh Pornoß, ja. Vielleicht hast du ßon mal waß mit mir geßehen? Mein neußter ßstreifen heißt ,Arßgeile ßäue ßiebenundßiebßzig‘!“
Ich bin hin- und hergerissen und starr sie lange an.
„Wenn du ein Pornostar bist, warum musst du dann mich und den Zwerg hier bezahlen, damit wir dich…eh…“ „…in einen ßack ßstecken und in den Müll werft? Mein Manager hat geßagt, ich ßoll in ßo einem Fetiß-ßstreifen mitmachen. Da wollte ich üben. Ganß heimlich!“
Das Eigentümliche an Saskia ist, dass sie vermutlich der einzige Mensch auf dieser Welt ist, bei dem man solche Aussagen als vollkommen einleuchtend hinnimmt. Wir besprechen, was sie eigentlich genau von uns erwartet.
„Alßo, erßtmal bin ich froh, daßß ich da an zßwei ganßz normale Typen geraten bin. Und nicht an dieße Irren, die man dauernd im Netßz findet!“, sagt sie und streichelt meinen Kobold.
Im Endeffekt läuft alles so, wie wir es besprochen haben. Sie bezahlt uns und zieht sich aus. Wir wickeln sie in Frischhaltefolie ein und stecken sie in einen Müllsack. „Daßß ißt ßo heißß!“, seufzt sie, bevor wir sie knebeln. Dann machen wir den Sack zu und schleppen sie huckepack das Treppenhaus hinunter. Dabei sagen wir, wie vereinbart, einige schmutzige Dinge zu ihr.
„Du kommst jetzt dahin, wo du hingehörst, du dreckiges Stück Müll!“ „Du kommst auf den Kompost zu dem anderen Abfall!“ „Das Zeug stinkt mindestens so widerlich wie du!“
Wir haben es gerade geschafft, sie in die fast volle Tonne zu hieven und diese hinter ihr zu schließen, als Bodo und Opa Paschulka vor uns stehen.
Bodo zückt schon sein Handy. „Die haben eine Leiche da drin, Herr Paschulke! Ich schwör es Ihnen!“
Opa Paschulke beugt sich verschwörerisch zu mir vor.
„Ist es ein Jude? Oder so ein Neger? Ich deck euch, Jungs!“
„Es ist nicht, wie es aussieht!“, rufe ich und will Bodo das Handy entwinden. Der wehrt sich aus Leibeskräften. Es ist Karl-Heinz, der ihn in die Knie zwingt, in dem er ihm in die Eier beißt. Opa Paschulke singt lauthals das Horst-Wessel-Lied. Da hör ich etwas im Hintergrund, das mich stutzen lässt. Es ist der Müllwagen. Die graue Tonne, in der Saskia hockt, wird gerade wieder auf den Boden gesetzt. Der große Laster rauscht davon. Auf der Müllladeklappe sehe ich ein großes Graffiti: „Schluck du Luder!“
Wir rennen dem Müllwagen hinterher. „Ist heute gar nicht Dienstag?“, brüllt Karl-Heinz mir außer Atem zu.
Wir holen den Wagen zum Glück an der nächsten Tonne ein. Es dauert nicht lang und wir haben Saskia gefunden und unter den blöden Blicken der Müllmänner geborgen. Wir schaffen sie raus. Als wir den Sack öffnen, strahlt Saskia uns an. „Daß war ßo ßarf in dem Müllßack, Jungß!“ „Warum werft ihr die Weg? Die ist doch noch gut!“, wendet einer der Müllmänner vollkommen zurecht ein. Wir haben Saskia gerade notdürftig mit einer Rettungsdecke bekleidet, als die Polizei anrauscht und uns festnimmt. „Ich ßreibe euch eine eßemeß, ihr heißßen Hengßte!“, höre ich noch, bevor das Polizeifahrzeug los fährt.
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