Tagespolitische Themen werden da diskutiert, wo die Wahrheit noch gesagt werden darf: Am Stammtisch. Für Deine SPD schreibe ich, was in Deutschlands Kneipen wirklich bequatscht wird. Warnung: Selten ernst gemeint.
„Die sind alle doch nur hier, um uns dat Geld aus der Tasche zu ziehen. Und dann vergreifen die sich noch an unsere Frauen und Kinder! Jetzt sag doch auch mal wat dazu!“
Manni hat seinen dritten Korn auf, die Nachricht hat ihn schwer getroffen: Wir kriegen ein Asylbewerberheim im Viertel. Ich bestell mir auch so’n Klaren. Dat wird ein harter Abend, denk ich bei mir.
„Ja, wat soll ich denn dazu sagen?“, frag ich Manni zurück, als mein Korn kommt.
„Ja, wie, wat du sagen sollst? Du stellst wieder Fragen, ey.“ Ich kipp das Zeug und bestell direkt noch einen.
„Ich könnte dir wat über Asylpolitik sagen, aber du redest doch dauernd davon, dass Tartaren, Wikinger oder Klingonen bei uns einfallen.“
Manni guckt mich an, als wär ich nicht mehr ganz bei Trost. Für einen Moment denk ich, der fühlt gleich, ob ich Fieber hab. Ich kipp den Korn.
„Ja findeste dat dann etwa gut, dat die jetzt alle kommen?“ – „Wer kommt denn alles?“ – „Ja, hier, die ganzen Eselficker!“ – „Wer sind denn bitte Eselficker?“ – „Ja, die ganzen Asylanten.“ – „Und die ficken alle Esel?“ – „Man, jetzt stell dich doch nicht so dumm an! Du weißt, wie ich dat meine.“ – „Du meinst, ich soll dir einfach ins Gesicht sagen, dat du ‚n rassistisches Arschloch bist?“
Das sitzt. Manni geht eine Rauchen. Ich bestell Korn. Dreimal.
„Aber dat is‘ doch nich‘ richtig! Dat sind doch alles Wirtschaftsflüchtlinge!“ Manni hat die Zeit zum Grübeln genutzt.
„Wie kommste denn darauf?“ – „Ja, dat sieht man doch. Immer diese Boote aus Afrika!“ – „Dat ist mal wieder gefühlte Wahrheit, Manni. Und dat is wat anderes als die Wirklichkeit. Die meisten Flüchtlinge kommen im Moment aus Syrien.“ – „Ja, siehste. Dann sind dat wieder die Moslems, die sich hier nicht anpassen!“ – „Dat sind vor allem Christen und andere Glaubensgruppen, die dort verfolgt werden.“ – „Und die ganzen Afrikaner?“ – „Die meisten kommen aus Eritrea. Dat is seit mehr als 20 Jahren eine Diktatur. Willkürliche Tötungen, Folter und Verschwindenlassen von Regimegegnern, hat die UN festgestellt.“
Ich trink einen Schluck Pils. Dat wird langsam schal, dat Zeug. „Außerdem“, setz ich dann nach, „meinste echt, jemand setzt sich in so’n scheiß Boot und riskiert sein Leben, weil er bei uns in Saus und Braus leben kann? Weißte überhaupt, wat so’n Flüchtling im Monat bekommt?“ Manni schaut mich ratlos an. Weiß er nicht, aber drüber meckern kann er.
„Ich sag dir dat: Seit dem 1.3.2015 gibt’s ein neues Gesetz, das die Lage der Flüchtlinge erheblich verbessert hat: Denen stehen jetzt 212 Euro im Monat für Wohnen, Heizen und Essen zu, dat gibt’s meist als Sachleistung. Und dazu kommen noch 140 Euro in bar. Viel weniger als Hartz IV. Dafür kann man seinen Arsch mal in einer Nussschale über den Atlantik schieben, wah, Manni?“
Der Abend wird scheinbar nicht nur für mich hart. Manni geht nämlich schon wieder eine rauchen.
„Wir sind trotzdem für alle dat Sozialamt!“, poltert er los, als er wiederkommt. „Selbst wenn dat nur so’n paar Mücken sind, können wir doch nicht allen helfen.“
„Tun wir ja auch nicht. Wat meinste denn, wo wir im internationalen Vergleich so stehen?“ – „Wat weiß ich denn, aber sicher weit oben!“ – „Nee, Manni. Weltweit sind wir nicht mal in den Top Ten. So Länder wie Äthiopien, Tschad und Pakistan nehmen drei bis vier mal so viele Flüchtlinge auf wie wir. In Europa sind wir gerade mal auf Platz zehn, gemessen an der Bevölkerungszahl.“
„Und wat is‘ mit den Zigeunern? Die kommen doch alle nur zum Klauen hier hin! Und benehmen können die sich auch nicht! Die lassen ihre Kinder aus dem Fenster kacken! Die sollen sich wenigstens mal ‚n bisschen anpassen!“
Kurz überleg‘ ich ernsthaft, ob ich mit dem Rauchen anfangen soll. Stattdessen bestell ich noch ‚n Pils und ‚n Korn.
„Die Roma kommen aus Rumänien, Serbien, Bulgarien und ‚n paar anderen Ländern. Und die leben da meist in Ghettos, kriegen keinen Job und werden wie Abschaum behandelt. Meinste, die können sich von heute auf morgen so benehmen, dass dir dat passt?“
„Also findest du dat super, dat die alle hier hin kommen? Du bist auch so’n echter Gutmensch.“ – „Gut find‘ ich dat nich‘. Aber die kommen ja nicht ohne Grund. Und ich krieg dat Kotzen, wenn jetzt alle schon vorher jammern, dass der Teufel persönlich bei uns einfällt. In Essen haben sie neulich sogar mit einem Mob ein Asylheim belagert. ProNRW und ein paar besorgte Anwohner haben da Schimpftiraden losgelassen. Kannste dir dat vorstellen? Da fliehste um die halbe Welt, weil du verfolgt wirst, kriegst schlappe 140 Flocken in die Hand und musst mit hunderten anderen in einer Kaserne leben – und da steht eine Meute vor deiner Tür, die dir nicht mal den Dreck unter den Nägeln gönnt und dich Schmarotzer nennt! Und dann erwartet man auch noch, dass du dich anpasst? Die meinen doch, Unfreundlichkeit, Hass und Neid wären typisch deutsch!“
Manni guckt mich ‚n bisschen beschämt an.
„Aber wat soll man denn nun machen, wenn die wirklich kommen?“, fragt er dann.
„Kann ich dir sagen: Der ganze Hass gegen die Flüchtlinge kommt daher, dass die keiner kennt und so Arschlöcher wie ProNRW und die Rechte Stimmung machen und Angst schüren.
Lass die erst mal kommen und lern‘ die kennen. Klar, ein paar Deppen werden da auch dabei sein, aber die meisten werden sich freuen.“
„Die kennen lernen? Wie geht dat denn?“ – „Es gibt Vereine, die Flüchtlingen helfen. Geh da mal vorbei. Deine Tochter hat bestimmt noch ‚n paar Spielzeuge, die sie nicht mehr braucht. Und du könntest ‚n paar Hosen abgeben. Bist ‚n bisschen dick geworden.“ Ich pieks ihm in die Seite.
Manni grunzt.
„Aber nur wenn, du mit kommst. Und mir ’ne Runde gibst.“
Das lässt sich machen.