Tagespolitische Themen werden da diskutiert, wo die Wahrheit noch gesagt werden darf: Am Stammtisch. Für Deine SPD schreibe ich, was in Deutschlands Kneipen wirklich bequatscht wird. Warnung: Selten ernst gemeint.
„Bald musste dich schon entschuldigen, dat du keine Schwuchtel bist! Ich sag dir dat! Dat kommt!“ Die Vorstellung scheint ihm Angst zu machen. Manni schüttet seinen Korn runter.
Ich nippe am Bier und lass ihn reden.
„Mensch, du schweigst dich heute mal wieder aus, wah? Irgendwann ist doch echt mal genug!“
Ein Blick auf die Uhr. Zeit für ein Korn, sagt die.
Ich kipp mein Pils in einen Zug und bestell ein Herrengedeck. Gibt’s heute zusammen für einsfuffzich. Muss man nutzen. Ist auch schon reichlich spät. Ich werd so’n bisschen albern.
„Wat macht dir so’n Kummer, Manni?“, frag ich schließlich.
Der schluckt. „Na, dat wir hier so einen richtigen Homo-Kult haben! Guck dir dat doch mal an. Jetzt hat sogar der Premier von Luxemburg einen Kerl geheiratet. So weit ist dat schon! Dat ist nicht mehr Europa, dat ist Gayropa!“
„Mach mal halblang, Manni. Du vermischt da ordentlich wat. Aber alles nach der Reihe! Meinst du echt, der Xavier Bettel hat einen Kerl geheiratet, weil dat so verordnet wurde?“
Manni guckt blöd. „Nee, natürlich nich‘. Aber der hätte ja nich‘ heiraten müssen!“ „Warum nich‘?“
Manni schaut mich lange an. Trinkt ’n Korn. Schaut mich wieder an. Trinkt sein Pils. „Ich geh mal eine Rauchen.“, sagt er dann.
Ich führ‘ mittlerweile ’ne Strichliste. Einen für mich.
Manni kommt zurück. Ich fühl mich ein bisschen wie im Boxring. Ich hab ihn in der Ecke und will ihn nicht wieder rauslassen. Mir fehlen nur die Nummerngirls oder -boys.
„Hömma, hasse eigentlich gehört, dat Schalke einen neuen…“
Ablenkungstaktik. Nix da.
„Manni, um beim Thema zu bleiben: Wat ist für dich denn der Homo-Kult?“ Kurz schaut er betreten drein.
„Na, also… dat is doch klar. Dat ganze Gender Mainstreaming!“ „Der Begriff steht für die Gleichstellung von Mann und Frau. Der wird nur von so pseudo-intellektuellen Homophoben wie der von Storch missbraucht, um ein modernes, demokratisches Familienbild zu diffamieren.“ Dat Wort geht mir ’n bisschen schwer über die Zunge. Ich nehm noch ’n Herrengedeck.
„Die AfD und andere konservativ-rechte wollen damit ihr Frau-an-den-Herd-Weltbild-Verteidigen und gleichzeitig dafür sorgen, dass wir Angst vor Homosexuellen bekommen. Die tun so, als wollten wir die Familie abschaffen, damit wir Angst vor Europa und den sogenannten ,etablierten‘ Parteien bekommen. Dat ist ideologischer Nonsense, den die verbreiten.“
Manni bestellt auch noch ein Gedeck.
„Aber guck ma‘, wenn du zum Beispiel siehst, dat die jetzt in der Grundschule den Kindern beibringen, wie Arschficken geht und dat es gut ist, wenn die Eltern schwul sind! Dat is doch nicht in Ordnung!“ „Also, erstens: In der Grundschule geht’s nicht um Analsex. Dat kommt erst so ab Klasse sieben. Zweitens: Es wird nicht gesagt, dass das gut ist und dass die Kinder Analsex haben oder homosexuell werden sollen, sondern darum, dass das einfach normale Dinge sind.“
„Aber dat müssen die in dem Alter doch nicht wissen!“ „Na, meinste denn im Ernst, die wissen dat noch nicht? Auch bei den Grundschülern gibt es gleichgeschlechtliche Paare. Findeste, die sollten nicht erklärt bekommen, warum dat so ist? Wenn die lernen, dass dat normal ist, hilft dat den Kindern.“ „Wie soll denen dat denn helfen? Die werden doch nur frühsexualisiert!“ „Die haben doch Augen und Ohren, Manni! Einmal hilft das allen: Weil die dann merken, dass das okay ist. Und keine Angst vor dem Kind mit zwei Vätern haben. Und zum anderen: Stell dir mal vor, wie sich ein Kind fühlen muss, dass gemobbt wird, weil die Eltern nicht Mann-Frau sind. Das macht Kinder kaputt und zerstört dat Verhältnis zu den Eltern. Mal daran gedacht?“ Manni wird rot. Bevor er was sagen kann, leg ich nach: „Und wat dein Arschficken angeht: Besser, die hören dat in der Schule, als dass die dat in Eigenregie auf Youporn nachgucken, wah?“
Ich mach noch so’n Strich. Vor meinem inneren Auge laufen drei halbnackte Transvestiten mit einem „Runde 3“ durch die Kneipe. Ich muss kichern. Manni schaut doof. Scheiß Herrengedecke! Ich bestell noch eins.
„Ja, aber jetzt werden doch echt alle schwul! Da sterben wir aus! Wer macht ’n da noch Kinder!“ „Manni, dat is‘ doch albern. Es gibt nicht mehr Homosexuelle als früher. Die dürfen sich heute nur trauen, das offen zu zeigen!“
„Ja, aber muss dat sein?“ „Ja, warum denn nicht?“ „Weil dat nich‘ sein muss!“ Ich mach schon mal einen Strich auf meiner Punktliste. Statt der Transen laufen jetzt Pinquine durch die Kneipe. Scheiße, wat ein Abend.
„Manni“, sag ich und lalle ein bisschen. „Würdest du dich schämen, dich mit deiner Uschi vor allen zu zeigen und rum zu erzählen, dat ihr verheiratet seid?“ Er schluckt.
„Na, also weißte…eh…“ „Soll ich die Uschi fragen?“ „Nein, also, klar, nicht schämen, aber wat hat das mit…“ „Ganz einfach: Warum soll sich der Bettel nun schämen, die Liebe seines Lebens geheiratet zu haben? Weil dat ein Kerl ist, deswegen! Du hast Angst davor, dat is‘ alles! In einer demokratischen Gesellschaft darf man sich nicht nur aussuchen ob und wen man ins Parlament wählt, sondern auch, wen man als Sexualpartner oder Lebenspartner wählt. Und dat is auch egal, welches Geschlecht die Person hat. So einfach is‘ dat!“ „Aber die werden bevorzugt behandelt! Die haben Sonderrechte!“ „Dat is Müll, Manni. Weisste selbst. Die dürfen gerade mal eben eine „Lebenspartnerschaft“ eingehen und haben ganz viele Nachteile. Ehegattensplitting war neulich so ein Thema. Dann Adoption.“ Ich seh Manni an, dat der wat sagen will. „Nee, dat Fass machen wir heute nich‘ auf! Ich führ‘ ja jetzt schon vier null!“ Manni stiert verständnislos auf meinen Punktzettel.
„Is‘ auch egal. Allein, dat ich mit dir darüber diskutieren muss, zeigt doch, dat Homos immer noch nicht gleichgestellt sind! Du hast doch ganz viele Vorurteile!“
„Mensch, du klingst, als wärst du selbst so ’ne Tucke!“
„Wer weiß?“, sag ich und kneif Manni in den Hintern.
„Übrigens: Meinste, ich darf einen der Pinguine behalten?“ Ich bestell noch ein Herrengedeck.